Eigentlich wollte ich jetzt über KI und multimodale Mobilität schreiben. Dummerweise ist was dazwischen gekommen: der heise-Artikel: „Was denkt sich eine KI?“ Durch ihn ist mir noch eine faszinierende Seite des Themas ins Gesicht gesprungen: die generelle Wortwahl, sobald künstliche Intelligenz ins Spiel kommt. Sicher, die Artikelüberschrift ist vermutlich provokativ und ironisch gemeint. Sie greift trotzdem in genau die Wortkiste, die aktuell durchgängig bei KI aus dem Wortschatz-Hut gezaubert wird: die Kiste der Vermenschlichung. Warum?
Warum heißt es „Maschinelles Lernen“? Warum nicht: „eine Maschine rechnet lange“? Das ist es doch faktisch.
Unüberwachtes Lernen überwacht
Warum heißt es: überwachtes und unüberwachtes Lernen? Der Vorgang, der dahinter steckt, ist doch die Anwendung unterschiedlicher mathematischer Berechnungsvorschriften auf einen gut vorbereiteten Datenpool. In der einen Variante ordnet ein Algorithmus Daten in Gruppen mit Hilfe von Referenz-Informationen und/oder stuft sie basierend auf Vorgaben ein (überwacht). In der anderen Variante stellt ein Algorithmus eine vorgegebene Menge an Informationsgruppen zusammen (unüberwacht). Was ist daran real „unüberwacht“? Die Anzahl der Datengruppen war doch vorgegeben und Themenbereich der Daten auch?
KNN lehnen sich an
Oder: Künstliches neuronales Netz (KNN). Letztlich lässt sich der Begriff auch als eine ziemlich fantasiefreie Beschreibung für eine komplexe Formelanhäufung sehen. Die Idee dahinter ist zwar, die Funktionsweise des menschlichen neuronalen Netzes nachzuahmen. Aber muss es deswegen auch gleich so benannt werden? Etwas provokant ließe sich in den Raum werfen: Kann es sein, dass die KNN nur „angelehnt“ an natürliche neuronale Netze sind, weil die Codierungen einfach nicht gut genug sind? Das wäre eigentlich erklärlich. Wir verstehen ja nicht mal das menschliche neuronale Netz bis ins letzte µ. Aber das ist ein anderes Thema.
Liebe zu Maschinen
Das menschliche Gehirn neigt zu kognitiven Verzerrungen. Das ist zur schnellen Informationsverarbeitung notwendig und hat positive und negative Folgen. In jedem Fall stehen wir dadurch in Wechselwirkung mit unserer Umwelt. Wenn jetzt ein Prozess mit „die Maschine lernt“ bezeichnet wird statt: „die Maschine rechnet lange“, ändert die Wortwahl die Wahrnehmung des Prozesses. Ein mechanischer Vorgang, ausgelöst durch mathematische Berechnungsvorschriften, heißt plötzlich „lernen“. Besonders Technik-Freaks ziehen gern Analogien zu menschlichen Tätigkeiten und Eigenschaften zur Beschreibung algorithmischer Prozesse ran – in populären Texten fast ausschließlich.
Mal lax gefragt: Lieben wir die Maschinen so sehr, dass wir sie ohne Not uns gleichsetzen? Was bleibt vom „Denken“ einer KI übrig, wenn Menschen sie nicht mit ihren Vorgaben, Ideen und Interpretationen“füttern“?
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