Das Bauhaus Dessau sagt das Konzert von Feine Sahne Fischfilet ab. Was nun folgt, ist beeindruckend:
- Die Bauhaus Uni Weimar und das Bauhaus Archiv Berlin sagen Auftrittsmöglichkeiten für die Band zu.
- Man bemüht sich in Dessau um Schadensbegrenzung und bietet das Anhaltinische Theater (ein NS-Bau) als Auftrittsort für die Band an
- Ein Künstler will seine Kunstwerke aus dem Bauhaus entfernen
- Die Student*innenschaft der FH Dessau organisiert Protest
- Das Konzert von Feine Sahne am 6.November im Brauhaus in Dessau ist online innerhalb von 20 sek ausverkauft
Das alles macht Hoffnung und daher ließe sich sagen: Ende gut, alles gut. Aber so ist es nicht.
Hat das Bauhaus noch Relevanz?
Die Location und der Entstehungsprozess des Konzerts entspricht vermutlich mehr dem Anspruch der Band, etwas gegen Rechts zu tun, als ein Konzert bei zdf@bauhaus es je getan hätte. Schon Samy DeLuxe fand den Veranstaltungsort eher zäh. Zuschauer*innen, die brav auf Stühlchen sitzen, hören sich handzahm Rap an. Wen interessiert das schon? Dieses FSF-Konzert kann das ZDF dagegen als Exil-Veranstaltung aufzeichnen – in Anlehnung an die Bauhausgeschichte. Das fördert die Einschaltquoten und hält hoffentlich die Debatte rund um die Ausrichtung und Verantwortung des aktuellen Bauhauses Dessau in den Medien. Die ist wünschenswert, denn beides ist diskussionswürdig – und das in vielerlei Hinsicht.
Was ist das Bauhauserbe?
Als Produktdesignerin interessiert mich vor allem: Was bedeutet es Erbe des Bauhauses Dessau zu sein? Werden dort knapp hundert Jahre alte Gebäude bestmöglich verwaltet? Geht es darum Architekturgeschichte zu verwalten, die zwar UNESCO-Welterbe ist, aber ansonsten leider nur noch Geschichte? Oder geht es darum die ideellen Werte weiter zu tragen? Noch wichtiger: was sind eigentlich die ideellen Werte der Bauhäusler*innen?
Ein kurzer Blick in die Geschichte
Die Produkte und die Bauten waren in ihrer Zeit Avantgarde. Der Baustil hat lange Einfluss auf die Gestaltung gehabt. Mehr noch: die Bauhäusler waren Ideengeber und Initiatoren von neuen Bauweisen. Der wirtschaftliche Wohnungsbau trieb Gropius, Hannes Meyer und Van der Rohe um. Sie starteten Materialexperimente im großen Stil, von denen nicht alle glückten. Das Haupthaus des Bauhaus Dessau selbst ist ein nur teils geglücktes Experiment. Durch die Verglasung ließ sich die Temperatur nicht regeln. Die Isolierung fehlte. Aus diesem Blickwinkel betrachtet war der Bau ein Desaster. Anders betrachtet war er eine Revolution – ebenso wie das Stahlhaus von Muche und Paulick. Der Stahlhausbau zeigt ein interessantes Phänomen im Umgang mit dem Bauhauserbe. In Dessau existiert ein zweites nicht so gehyptes Stahlhaus: Hugo Junkers ließ es Anfang der `30 Jahre in seinen Werken bauen.
Bauhaus Dessau: Zerreißprobe zwischen Gestaltung und Machbarkeit
Damit komme ich zum springenden Punkt des Bauhaus in Dessau: In dieser Phase suchte Gropius den Schulterschluss mit der Industrie – personifiziert in Hugo Junkers. Er entfernte sich und die Schule von der Kunst und fokussierte Gestaltung. Gropius nannte seine Werkstätten „Laboratorien zur Herstellung von Modellen für die Industrie“. Junker deklarierte seine Werke als „Forschungsfabriken“. Das Bauhaus in Dessau verfolgte den Leitsatz: Kunst und Technik – eine neue Einheit!„. Dass die Institution überhaupt bis 1932 existierte, verdankte es vermutlich unter anderem der finanziellen Unterstützung von Junkers. Provokativ betrachtet, lässt sich Mies van der Rohe als der Hausarchitekt von Junkers sehen. Seine Studierenden entwarfen die neue Arbeitersiedlung für den Konzern. Doch damit nicht genug: zwischen allem war da noch Hannes Meyer: der Kommunist.
Die drei Phasen dieser einflussreichen Schule lassen sich schwarz-weiß-gezeichnet so darstellen:
- Gropius ergänzt sich mit Junkers und testet die Grenzen zwischen Gestaltung und Machbarkeit
- Meyer richtet die Schule neu aus und verpasst ihr einen Ausflug in den „echtem“ Sozialismus
- Van der Rohe unternimmt den Versuch die Schule zu entpolitisieren und macht sie zum ausführenden Arm der Industrie
Selbstverständlich muss alles im Kontext der Weimarer Republik und dem erstarkenden Nationalsozialismus gesehen werden. Weniger komplex geht es beim Bauhaus leider nicht.
Bauhaus Weimar: Ausbildung der Gestalter*innen der Zukunft
Ach ja, da war noch die Weimarer Phase, die die Gropius mit einem Paukenschlag beginnen ließ: das Bauhaus-Manifest. Die Phase, in der es um den Zusammenschluss zwischen Kunst und Handwerk ging. Die Phase, die sich das Ziel gesetzt hatte, Künstler*innen zu Gestalter*innen des „neuen Bau(s) der Zukunft“ zu machen. Die Phase, die gestalterische Ausbildung nachhaltig beeinflussen wollte.
Ein*e Gestalter*in ist kein*e Dekorateur*in
Als Produktdesignerin kann ich im Rückblick sagen: das hat das Weimarer Bauhaus geschafft. Noch in den `90ern verlief meine Ausbildung in Anlehnung an die Bauhausausbildung. Mein gestalterisches Denken basiert nach wie vor auf Bauhaus-Ideen:
Ein*e Gestalter*in ist kein*e Dekorateur*in. Ein*e Gestalter*in gestaltet die Zukunft mit und hinterfragt jedes Gestaltungsobjekt neu.
„Selbstgenügsame Eigenheit“
In Dessau entwickelte das Bauhaus seine Ideen konsequent weiter und experimentierte mit der Deutungshoheit von Gestaltung. Nur: wo spiegelt sich seine Haltung in der aktuellen Ausrichtung der Stiftung Bauhaus wider? Ein Blick auf die Internetpräsenz zeigt, dass ihr Schwerpunkt auf Kunst und Wissenschaft liegt. Kunst lag bei keinem der drei Direktoren im Fokus – jedenfalls nicht in Dessau. Aktuell scheint der Standort des Verbundes in „selbstgenügsame(r) Eigenheit“ zu verharren. Das Bauhaus wollte genau die bekämpfen.
Mal `ne Frage
Ist dieser Teil der Bauhaus-Geschichte aktuell vielleicht ein Stiefkind? Redet man nicht gern über die Verbindungen zur Industrie? Das Spannungsfeld: Gestaltung – Machbarkeit – Finanzierung ist ein Dauerbrenner für Gestalter*innen. Wie wäre es, wenn sich die Stiftung mit ihrer gut dokumentierten 100-jährigen Geschichte zu aktuellen Design- und Architekturdiskursen äußern würde? Die Stiftung kann zeigen, dass sie das Erbe nicht nur verwaltet, sondern dass Reflexion hilft, die gleichen Fehler nicht immer wieder zu machen.
Oder wie wäre es, wenn sie sich zur „Digitalen Revolution“ äußern würde. Schließlich steht die nächste Technologie-Revolution ins Haus. Hier könnte sie anfangen, zu experimentieren ganz im Sinne der besten Eigenschaft des Bauhauses: dem Mut grundlegende Veränderungen anzustoßen.
*Bildrechte: M_H.de / Forum for the Future / Stiftung Bauhaus Dessau