Connected Mobility: Von Sharing zu MaaS

Vernetzung kann einfach großartig sein. Nachdem er meinen E-Scooter-Post gelesen hatte, schickte mir ein Freund einen Artikel aus der Fortune. Der diskutierte den ökonomischen Megaflop des Dockless Bike-Sharing in China. Und die Frage, ob Investoren für ihre Investments haften sollten, damit sie Verantwortung lernen. Großartige Idee!

sharing: Fotomontage, die ein Foto vom Mars mit einem der Erde verschneidet. Zentriert ist ein Haufen Vehikel

Artwork: yuyun  CC BY-NC-SA

Die meisten chinesischen Firmen sind von der Bildfläche verschwunden – insolvent. Nur Mobike konnte sich anscheinend vor dem Totalcrash retten. Es wurde übernommen; seinen gesammelten Daten sei Dank. Die Sache mit den Daten haben die E-Scooter-Flottenbetreiber verstanden. Aber wie sieht es mit dem Rest aus?
 Anyway: Der Artikel ist ein prima Übergang zum nächsten Thema: Das Teilen und Herrschen in der Connected Mobility im Alltag des Modal Splits. Los geht`s:

VC finanziert Public Pedelec-Sharing: the missing Business-Case

Im Windschatten der Räder rollten plötzlich Pedelecflotten in die Straßen. Und blieben – jedenfalls ein Weilchen. Jump von Uber ist noch da. Aber es steht nicht gut um den Hailing-Pionier. Sollten diese Pedelecs auch verschwinden, scharrt schon „Donkey Republic“ mit den Hufen. Die Dänen elektrifizieren ihre Räder schleichend, dafür aber beharrlich. Ohnehin ist die Firma eine Oase in der privaten Sharing-Wüste. Sie ist seit 2014 kontinuierlich auf den Straßen mit dabei – vermutlich dank Franchaising-Konzept und soliden Rädern. Im Februar diesen Jahres hat das Unternehmen seine jüngste Venture Capital-Spritze bekommen…mal schauen, wie lange diese Oase noch grünt.

Call a Bike – der zähe Surviver

Sharing: Foto von Merkur montiert mit Foto von RadEs scheint schwer, im Public Sharing profitable Business Cases zu generieren. Längerlebig funktionieren meist staatliche oder zumindest halbstaatliche Lösungen. Besonders wenn Pedelecs zum Einsatz kommen, ist Förderung gern gesehen. Der eingebaute Rückenwind macht die Gefährte in vielen Bereichen teurer als die konventionellen Drahtesel. Stuttgart ist rührig, was vom Bund finanzierte Show-Case-projekte angeht. Als Ergebnis zieren die Flitzer die Plätze der Stadt – so lange das Pilotprojekt läuft. Die Elektroesel gehören zum Fuhrpark der DB. Der Konzern hält an seinen Call-a-Bikes fest – inzwischen auch gern unterstützt von der Wirtschaft. Die poliert damit wie nebenher ihr Ökoimage.

Vor knapp 25 Jahren war das Call-A-Bike-System für Christian Hogl, den eigentlichen Erfinder des Dockless Sharing, ein finanzielles Fiasko. Der Reiz der Idee blieb. Nach einem Vierteljahrhundert scheint die Digitalisierung die Lösung des Finanzierungsproblems. Dank digitaler Tools ist das Flottenmanagement kostengünstiger, effektiver und user*innenfreundlicher geworden. Geofencing schützt nebenher den immer überfüllteren Stadtraum. Unterstützt von Gebührenandrohung stellen User*innen die Gefährte sogar dort ab, wo die Betreiber*innen es vorgeben, ganz ohne sichtbare Stationen.
Noch ist nicht absehbar, ob Algorithmen die Systemkosten wirklich senken oder sie nur verlagern.

Flaschenhals API

Unsere geliebten Berechungsvorschriften treiben jedenfalls die Vernetzung voran. Wohin? Keine Ahnung. An sinnvollem offenem Datenaustausch zwischen Kommune, Provider oder beispielsweise Stadtplanner*innen klemmt`s jedenfalls oft noch, nicht immer natürlich. Von den leidgeprüften US amerikanischen Städten und der Open Mobility Foundation gibt es einen Standardisierungsversuch: MDS. Mit GBFS ist sogar schon ein Open Source Anlauf für Bikesharing vorhanden. Jetzt musSharing: Ein Foto der Venus kombiniert mit verschränkten Fahrzeugens die Standardschnittstelle nur noch verwendet werden. Einige deutsche Städte probieren mit dem amerikanischen Modell schon herum. Berlin hält sich vornehm zurück. Es hat bisher gar nichts festgelegt. Aber, man macht Projekte und stellt fest: Die Datenqualität lässt meist zu wünschen übrig. Wenige Anbieter sind darauf scharf, ihre Daten rauszugeben. Es gibt zwar Datenanalysen z.B. für Bike-Sharing (Pdf). Die bleiben aktuell jedoch bruchstückhaft. Für „Shared Mobility Flows“ des City.Lab lagen beispielsweise nur von Lidl(DB) und Deezer(nextbike) Daten vor – Firmen, die recht eng mit der Kommune oder dem Bund verbunden sind.

Bis zur intermodalen Mobilität (Pdf) ist wohl noch ein Weg. Erstaunlich, schließlich können doch die Algorithmen prima vernetzen. Sie „können“ eben doch gar nichts. Sie sind vor allem Technologie. Die Menschen „können“, wenn sie wollen. Finnland kann beispielsweise. Serviceprovider sind dort gesetzlich verpflichtet offene Programmierschnittstellen (APIs) bereitzuhalten.

Foto vom Vollmond kombiniert mit Rädern

Von Datenflüssen und Hacks

Für User*innen kommt beim Datenaustausch hierzulande intransparente Datenstreuung raus. Aber wir sind einiges gewöhnt. Die Hiobsbotschaften großer und kleiner Datenlecks gehören ja quasi zum Alltag. Schon 2003 hat sich der CCC mal ein Call-A-Bike angesehen und zollte dem Entwickler Respekt. Fragt sich, wie die Fahrzeug-Software jetzt die Begutachtung überstehen würde.

Die Monetarisierung des Verbindens: Herrschen und Teilen

Natürlich werden nicht nur Räder und Pedelecs geshared. Aktuell wird alles geshared, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Also gibt es neben Bike- unglaublich viel Car-, Transporter-, Boot- und und und -Sharing. Fehlt noch das Sieben-Meilen-Stiefel-Sharing. Vielleicht gibt es dafür schon ein kreatives Digitalplattform-StartUp. Das Projekt ist sicher spannend. Immerhin tut sich einiges im Prothesenbau.
Spaß beiseite: Sharing ist en Vogue. Die Art und Menge der Sharing-Fahrzeuge explodieren. Den Sharing-Methoden selbst sind keine Grenzen gesetzt. Die einen bieten Assets (e.g. fahrbare Untersätze) an, die anderen probieren es ganz ohne. Es ist spannend zu sehen, was alles monetarisiert werden soll.Sharing: Fotomontage eines Foto des Saturn kombiniert mit Fahrzeugen

Die Methode ohne „Assets“ ist Hailing. Die Fahrzeuge stellen die Teilnehmer*innen selbst zur Verfügung und gewährleisten deren Einsatzbereitschaft. So war es jedenfalls von den Erfinder*innen gedacht. Wirklich hingehauen hat das nicht. Das hat der Idee trotzdem keinen Abbruch getan. Uber oder Didi probieren schon länger wacker, den Markt zu beherrschen. Leider ist er hart umkämpft. Ob irgendein StartUp schon schwarze Zahlen schreibt, ist anscheinend unklar – Uber jedenfalls ganz und gar nicht. Aber Hailing ist ohnehin nur noch ein Teil der Angebotsportfolien.

Modal Split kaum verändert

Laut Businessdarstellungen lieben US-Amerikaner*innen vor allem „MoD“ (Mobility on Demand) Europäer*innen ziehen „Sharing“ vor. Klar, in einer idealen Welt ist die Sharing-Idee großartig. Jede*R düst durch die nähere Umgebung, mit dem Wunschfahruntersatz, ohne Rumgerenne und mit nahtlosem Übergang zum ÖV. So viel zur Theorie. Es geht die Hoffnung, dass sich der Modal Split hin zu höherem ÖPNV- und Radanteil ändert. Real scheint das aber nur in einigen wenigen Städten zu klappen, zumindest in Deutschland. Insgesamt hat sich der Modal Split hier in den letzten Jahren kaum bewegt. Der Trend zu mehr ÖV und Fahrrad findet vor allem auf Kosten der Wege zu Fuß statt. Insgesamt nehmen weniger Menschen am Verkehr teil. Die machen zudem weniger Wege. Doch der Anteil der PKW-Nutzung bleibt gleich, allerdings öfter als Fahrer*in und wenn´s geht im SUV.

Berlin: Straßenland wegen Überfüllung geschlossenSharing: Fotomotage vom Planeten Jupiter kombiniert mit verschiedenen Elektrorollern

In Berlin steigt der PKW-Anteil. Ok, die Stadt wächst. Trotzdem: 2017 waren es 33% MIV (Motorisierter Individualverkehr), vier Jahre davor „nur“ 30%. Da hilft die Steigerung der Fahrzeugvielfalt anscheinend wenig. Sie führt allerdings dazu, dass der Straßenraum vollgestopfter ist, jedenfalls in der Innenstadt. Gut, neben Sharing-Fahrzeugen ist natürlich noch Onlinehandel-Lieferverkehr  unterwegs. Aber das vergessen wir jetzt mal.

Sharing ist doch bloß Leihen

Es sieht wohl so aus: weil die meisten ohnehin ihr Smartphone parat haben, organisieren sie eben auch ihre Mobilität damit. Und addieren die „Sharing“-angebote einfach zu ihren sonstigen Fortbewegungsmöglichkeiten dazu.
Genau genommen ist Sharing schließlich kein „Teilen“, sondern für User*innen ganz schnöde bargeldlos bezahltes Ausleihen. Ich hab mich gefragt, ob „MoD“ und „Sharing“ sogar das gleiche ist. Auf Grund kultureller Vorlieben, unterscheiden sich eben die Bezeichnungen. Bisher folgt „MoD“ oder „Sharing“ oder „Ausleihen“ jedenfalls dem Motto: Mehr Mobilitätsoptionen, mehr Verkehr.

MaaS – ein schwammiger Begriff nimmt Gestalt an

Neben dem Verkehr, explodiert auch die Anzahl der Apps auf dem Smartphone. Wirklich komfortabel ist das nicht. Was liegt da näher alles noch mal zu bündeln? Damit wären wir dann bei MaaS: Mobility as a Service. Geht´s um das Thema, gibt’s den einfachen Weg via Meta-Sharing-App oder den komplexen. Und komplex, meint komplex: Da müssen nicht nur Anbieter händisch in eine App eingepflegt werden. Um so eine App/Card zu entwickeln, finden sich diverseste Player*innen am runden Tisch zusammen und handeln ihre Interessen aus. Es geht um nationale und kommunale Bedürfnisse; um Vorstellungen der privaten und öffentlichen Transportanbieter*innen; um Versicherungs- und Finanzweltwünsche. Es geht um nichts weniger, als um das Neuverknüpfen von Mobilität um Spannungsfeld öffentlicher und privater Interessen. Oder um ihre Wiedererfindung?

Da dürfen die Sharing- und Hailing-Dienste mitmischen, sind aber nur ein Rädchen im Getriebe. Es geht um den ganz großen Wurf. Das Ziel des ganzen Prozesses ist einfach: Der Zugang und die Nutzung von situationsangepassten Verkehrsmitteln mittels bargeldloser Bezahlung. Mal ist das Thema unhandlich, mal unheimlich, je nachdem wer, wie darüber nachdenkt. Die Vision ist letztlich der Griff nach den Sternen: das System der Systeme.

Der zähe europäische Alltag von MaaS

Aber mal zurück auf den Boden der Realität. Die Schweiz, die Niederlande, Finnland, Dänemark und andere gehen die Sache handfest an und das oft genug schon seit Jahren. Sie stellen inzwischen ein landesweites Ticket für mehrere ÖV-Unternehmen, z.B. die Bahn und kommunale oder/und regionale Verbände bereit. Die neue privaten Sharing-Anbieter sind bisher allerdings nicht integriert.

Diese Integration probiert Trafi (UAB) aus Litauen mit der App Jelbi für Berlin. Die hat Sharing: Foto von Uranus kombiniert mit Fahrradmeuteim Kleinen das geschafft, was für viele „Operatoren“ und App-Developer zum Problem mutiert: Dritte integrieren und eine Critical Maas erzeugen. Von landesweiter Vernetzung ist die App weit entfernt. Deutsche Verkehrsverbünde zusammenzubringen, ist vermutlich kein Spaß und dann noch mit Drittparteien? Auweia, da fällt mir sofort der BER ein. Das Gezerre um Hoheiten und Daten würde evt. uferlos.

Was konzertierte landesweite Vernetzung angeht, ist – neben Schweden(Pdf) – Finnland ein Vorreiter. Dort existiert nicht nur „Whim“. Das Land denkt voraus. Es ist auf dem Weg, alles, was sich bewegt zu vernetzen und sämtliche Dienste drumrum gleich mit. Helsinki veröffentlichte passend dazu seinen Transport Code(Pdf). Der verpflichtet MaaS-Beteligte zu Open Data. Er ist Inspiration für größere Zusammenhänge. Die EU versucht, sinnvolle Ansätze zu finden – per Public-Privat-Partnership.

Alternative: VC schleift alles zurecht

Da haben es die US-amerikanischen Big Business-Kollegen deutlich leichter. Das Business sieht diverse MaaS-Optionen. Hauptsache, es wird ein Geschäft drauß. Uber beteiligt sich an Lime und schwupp kriegen User*innen alle Fahrzeugvarianten beider „Anbieter“ international hingestellt. Wie lange es da noch Unterschiede zwischen den Fahrzeugen gibt und wie andere integriert werden, bleibt offen. Andere Anbieterlabel sind vielleicht machbar? Ob sich die Sache jemals rechnet, ist… naja, damit wär ich wie am Anfang meines Posts.

Big Business und System of Systems ist nicht alles

Noch eines, mal so klein klein: Die wirtschaftliche Seite der Servicemobilität sieht selten gut aus. Die Erfahrungen mit mehrjährig laufenden Fahrradsystemen zeigen das. Sie neigten dazu, Verlustgeschäfte zu sein. Trotzdem lohnt es sich, sie noch mal zu betrachten: Die Idee des (Dockless) Sharing ist klasse. Sie ist eine flexible Bewegungslösung in Zeiten von Klimawandel. Sie erzeugt im Service neue Arbeitsplätze. Unterschiedliche Fahrzeugtypen lassen sich prima einbetten. Mit passenden Preisen kann sie viele Menschen mobil machen. Was wünscht sich das mobile Herz mehr?
Ob dabei jemals schwarze Zahlen rauskommen? Cleverer Einsatz von digitalen Tools, konventioneller on Board-Werbung und differenzierten Finanzierungskonzepten sind doch schon mal eine latent robuste Ausgangsidee. Und die Systeme in kommunaler Hoheit zu verankern, bleibt überlegenswert. By the way: so sind sie leichter in multimodale Anwendungen zu integrieren.Sharing: Foto vom Neptun kombiniert mit Pedelecs by form:f - critical design

Oder wie wär’s mit intermodaler Mobilität? Mit hilfe der Algorithmen erzeugen wir eine Kette unterschiedlicher Verkehrsmittel, die so klasse ineinandergreift, dass alle sie gern nutzen. Über Modal Split redet dann niemand mehr. Das Auto ist in der Stadt einfach vergessen. Richtig fortschrittliche Kommunen leisten sich dann „prunkvoll“ ein stadteigenes kombiniertes Pedelec-& Fahrradsystem.

Vor allem Dingen wird endlich das wichtigste Ziel erreicht – das, mit dem alle Marketer*innen aktuell eher nur werben: Der PKW wäre Vergangenheit und die CO²-Lage bessert sich schlagartig – endlich.

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Artworks by yuyun, Lizenz: CC BY-NC-SA // Text: CC BY-SA